AssCompact suche
Home
Assekuranz
29. Juni 2017
Mutmacher für das bAV-Geschäft der Versicherungsmakler

Mutmacher für das bAV-Geschäft der Versicherungsmakler

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) ist mehr als das Sozialpartnermodell. Warum das neue Gesetz Schwung in die bAV und die bAV-Beratung bringen kann, erläuterten Experten am Mittwoch auf dem AssCompact Forum betriebliche Versorgung. Der weitgehend verpflichtende Arbeitgeberzuschuss, der höhere Freibetrag in der Grundsicherung und die Beseitigung der Doppelverbeitragung unter anderem in der bAV-Riester sind Stichworte, die sogar eine Initialzündung für die bAV darstellen könnten.

In den vergangenen Tagen wurde im Zusammenhang mit dem BRSG häufig über das Sozialpartnermodell und mögliche negative Folgen für das bAV-Geschäft der Versicherungsmakler diskutiert (auch AssCompact berichtete). Einen völlig anderen Ton schlugen die Referenten und Teilnehmer des äußerst gut besuchten AssCompact Forums betriebliche Versorgung in Stuttgart an. Versicherungsmakler reisten auch von weit an, um sich auf der ersten übergreifenden Veranstaltung nach dem Bundestags-Beschluss des BRSG über die Reform zu informieren.

Besondere Effekte durch verpflichtenden Arbeitgeberzuschuss

Das BRSG wird Schwung in die bAV bringen, sagte etwa Dr. Andreas Wimmer, Vorstand der Allianz Lebensversicherung. Der Freibetrag in der Grundsicherung, der Förderbeitrag für Geringverdiener mit monatlichem Einkommen unter 2.200 Euro, die Erhöhung des steuerlichen Dotierungsrahmen auf 8%, die Beseitigung der Doppelverbeitragung unter anderem der Riester-geförderten bAV in der Kranken- und Pflegeversicherung seien Aspekte, die die Durchdringung der bAV voranbringen könnten.

Einen besonderen Effekt erwarten sich die Experten aber von einer Entscheidung, die erst auf der Zielgeraden der Gesetzesverabschiedung gefallen ist: Die Pflicht des Arbeitgebers zur Weitergabe der Sozialversicherungsersparnisse (soweit diese vorliegt) im Rahmen der Entgeltumwandlung (15% des umgewandelten Entgelts). In einer Rechenaufgabe zeigte der Altersvorsorge- und Steuerexperte Prof. Thomas Dommermuth auf, welche positive Wirkung dieser Arbeitgeberzuschuss vor allem im Zusammenhang mit der Beseitigung der Doppelverbeitragung der Riester-geförderten bAV für Geringverdiener und Alleinerziehende haben könnte. Demnach könnte in der Entgeltumwandlung die Asymmetrie zwischen den Ersparnissen der Sozialabgaben in der Beitragsphase und den sozialabgabenbedingten Belastungen in der Rentenphase aufgehoben werden. Dommermuth spricht hier von einer Aufhebung der 20:35-Asymmetrie: Bisher hatte in seinem Beispiel ein Betriebsrentner für die Pflege- und Krankenversicherung eine Gesamtbelastung von ca. 35% in der Rentenphase, während die Entlastung in der Beitragsphase nur bei ca. 20% lag. Die jetzigen Maßnahmen würden dieses Ungleichgewicht aufheben, in Individualfällen könnte es sich sogar im positiven Sinne aufheben. Riester werde durch diese Konstellation eine Renaissance erleben, so Prof. Dommermuth.

Freibetrag in der Grundsicherung

Auch der künftige Freibetrag zur Anrechnung von lebenslangen Rentenleistungen auf die Grundsicherung in Höhe von 100 Euro p. m. plus 30% des übersteigenden Betrages trage zur Attraktivität der bAV bei. Damit setze der Gesetzgeber ein wichtiges Signal, so Dommermuth weiter. Allerdings wurde eine Beschränkung auf höchstens 50% der Regelbedarfsstufe 1 (2017: 204,50 Euro) festgelegt. Wünschenswert wäre für Dommermuth an dieser Stelle ein höheres Freistellungsvolumen gewesen.

Diskussionen zwischen den Ministerien

Wie sehr in den Ministerien in Berlin um neue Förderrahmen, Freibeträge und Anrechnungsrahmen gerungen wurde, berichtete in dem Zusammenhang Hans-Ludwig Flecken aus dem Wirtschaftsministerium. Grenzen setzten der Reform etwa befürchtete Einbußen bei Steuer- und Krankenkasseneinnahmen. Gleichwohl erwartet der Gast aus Berlin eine Sogwirkung der verschiedenen Maßnahmen: Dem Ziel, die bAV sowohl für kleine und mittelständische Arbeitgeber als auch für Beschäftige mit kleineren Einkommen attraktiver zu machen, sei man einen deutlichen Schritt näher gekommen.

Gut für Neuabschlüsse, viele Fragen bei Altverträgen

Grundsätzlich positiv sieht auch Rechtsanwalt Dr. Uwe Langohr-Plato die Reform. Für Neuabschlüsse könne das Gesetz Impulse bringen. Gleichzeitig werfe seiner Ansicht nach das Gesetz viele neue Fragen auf, etwa was der Arbeitgeberzuschuss für Altverträge und bei Arbeitsplatzwechsel bedeute. Zudem gelte dieser nur für die Direktversicherung, die Pensionskasse und den Pensionsfonds. Alte Versorgungswerke und bestehende Verträge müssen seiner Meinung nach nun aufgerollt und angepackt werden.

Komplexität bleibt

Neben diesen offenen Fragen bleibt die hohe Komplexität der bAV-Landschaft ein Hemmnis. Gleichermaßen ist das die Chance für Versicherungsmakler und bAV-Experten sich weiter am Markt zu positionieren. Dieser wird zwar durch das Sozialpartnermodell enger, allerdings müsse das neue Modell auch erst einmal eine Akzeptanz am Markt finden, so der Tenor des AssCompact Forums. Denn ob sich die dort enthaltene Zielrente ohne Garantien gegenüber der alten bAV-Welt durchsetze, werde sich erst im Wettbewerb zeigen.

In den Produktschmieden der Versicherer wird nun jedenfalls an neuen Angeboten im Sinne des BRSG gearbeitet. Wie eng man sich dabei an den Vorgaben des Gesetzgebers orientieren sollte, machte abschließend Hans-Ludwig Flecken, deutlich: Dieses Gesetz sei die letzte Chance für eine bAV auf freiwilliger Basis, so der Gast aus Berlin.

AssCompact Sonderedition betriebliche Versorgung im August

Die bAV-Reform war nicht das einzige Thema des Forums. Die 29 Aussteller informierten über weitere bAV-Themen, sowohl über die betriebliche Krankenversicherung als auch über weitere Angebote und Dienstleistungen für die betriebliche Vorsorge. Im August erscheint dazu die AssCompact Sonderedition betriebliche Versorgung. (bh)

Impressionen der Veranstaltung gibt es hier.

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Ludwig Barthel am 29. Juni 2017 - 11:00

Da kann man sich noch so schön rechnen, für mich bleibt das Sozialpartnermodell ein Flopp, mehr noch: Es wird kurzfristig zu einer Bremswirkung führen. Die deutliche Komplexitäts- und Verwaltungszunahme wird nicht nur die KMU verschrecken, sondern aufgrund der nicht Erklärbarkeit auch viele Arbeitnehmer (und Vermittler!!). Und wer meint, Information, durch Zwang (opting out) ersetzen zu können, irrt sich und hält "Lieschen Müller" für dumm. Es wurde fahrlässig eine große Chance vertan, das System zu vereinfachen und erkennbar attraktiver zu gestalten! Vielleicht ist dies politischer Vorsatz, um in 4 Jahren bei der Überprüfung dann doch ein Argument für das eigentlich Gewollte zu haben: Obligatorium mit staatlicher Kontrolle, Kostensenkung statt Informations-Dienstleistung! Die öffentlichen Medien dürften in diesem Chaos-Gesetz weiteres Futter gegen die zusätzliche Altersversorgung finden. Theorie trifft auf Praxis, der Altersvorsorgegedanke wird totreguliert.